Trauer

Von Lebensmut und Scherbenhaufen

Sortieren. Altes Leben, neues Leben. Ich komm mittlerweile klar. Das habe ich in den letzten Tagen gemerkt. Mein Leben geht weiter, wie man so schön sagt. Es ist anders, aber es ist mein Leben. Was ich daraus mache, liegt an mir. Ob hardere oder die Dinge annehme und sie mit positiver Energie angehe. Das bestimme ich allein.

Natürlich liegt da immer mal wieder dieser schwere Felsbrocken auf der Seele und ich schaue zurück. Überlege, was sich alles verändert hat, wie ich mich, zum Teil unwiederbringlich, verändert habe. Ich bin ich. Ich bin ernster, in mich gekehrter und trotzdem weiß ich was ich will und ich mache weiter.

Die Musik ist mir ein großer Halt. Und alles was dazugehört.

Ich habe die Trümmer zusammengekittet, die Mamas Tod hinterlassen hat. Man sieht natürlich alle Klebestellen, und an einigen Stellen passt es nicht mehr richtig. Aber die neue Form ist auch okay. Es ist noch genug da, wofür es sich lohnt zu leben. Für meine Nichten, für meinen Vater, meine Schwester. Für die Menschen, mit denen ich so gerne zusammen bin. Die mich stützen und die mir bei Windstille Wind in meine Flügel pusten, damit ich fliegen kann.

Es läuft. Bei mir.

Aber wie gibt man einem Menschen den Lebensmut zurück, der alles, was seinen Lebensmittelpunkt ausgemacht hat, verloren hat. Ja, ihr könnt euch denken, von wem ich rede. Mein Vater. Kein einfacher Mensch im Alter, aber mein Vater.

In den letzten Monaten habe ich zusammen mit den anderen geschaut, wie wir das Leben von Papa regeln können, dass er klar kommt. Wie können wir ihm Freude bereiten. Was gibt ihm Sinn.

Aber er lässt sich hängen. Die Trauer erdrückt ihn. Es geht ihm nicht gut. Es kann seinen Scherbenhaufen nicht kleben.

Jetzt muss er eine neue Herzklappe bekommen, aber er will nicht. Es scheint fast so, als hätte er sich aufgegeben.

„Warum bin ich denn nicht eher gegangen? Warum musste sie denn schon gehen?“

Wenn du diesen Satz als Tochter hörst, dann musst du schlucken. Ich konnte nichts darauf antworten. Was denn auch? Ich versuche alles, was in meiner Macht steht. Er soll merken, dass es sich trotz allem noch lohnt zu leben, dass wir ihn brauchen. Aber es scheint im Versuch stecken zu bleiben.
Ich weiß, ich kann nicht mehr tun. Ich kann ihn nicht zwingen.
Aber es fühlt sich scheiße an. Es macht Angst und lähmt mich. Natürlich bin ich nicht Schuld, sollte was passieren. Und dennoch fühle ich mich verantwortlich. Ich kann doch nicht zusehen, wie er ihr hinterhergehen will.

Ich weiß ja, dass es heißt, wenn die Frau vorher stirbt, dann geht der Mann hinterher…. Aber, ich will das nicht.

Im Moment bin ich an einer Grenze. Ich weiß nicht weiter. Keiner weiß weiter. Außer es zu nehmen wie es kommt. Aber, ich fühle mich, als hätte ich versagt. Als hätte ich nicht alles versucht, obwohl ich weiß, dass ich nicht mehr machen kann.

Wie kann ich seine Scherben nur wieder kitten? Wie kann ich ihm ein Konstrukt bauen, was er als schön ansieht, wenn selbst die Enkelkinder das nicht können.

Der schmale Grad, auf dem ich stehe, ist so unsicher und ich schaue ohne Aussicht auf Entkommen in den Abgrund. Ich brülle nach Hilfe, aber der Schrei bleibt im Halse stecken. Denn ich weiß nicht, nach welcher Hilfe ich schreien soll. Es gibt einfach keine Hilfe…

Schicksal ist ein Arschloch….

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