Trauer

„Ist es nicht langsam mal gut?“ ~ Die Frage nach der richtigen Dauer

Das sich meine Trauer nun schon echt „lange“ hinzieht, dass mag der eine oder andere sicher denken. Und es sind nun ja auch schon 16 Wochen, fast. Vier Monate ohne meine Mama.

Gestern fiel der Satz das erste Mal.

„Ist es nicht langsam mal gut?“

Ich musste tatsächlich kurz schlucken. Es ist für mich schließlich „erst“ 4 Monate her. Und das erste Mal in diesen Wochen komme ich so richtig zu Ruhe. Ich kann mich jetzt erst richtig damit auseinandersetzen, dass meine Mama nicht mehr wiederkommt. Die Ämtergänge sind weg, Alltag kehrt ein, neue Strukturen wurden geschaffen. Und erst jetzt merke ich und wird mir bewusst… Sie ist weg. Die letzte Woche vor allem, die war richtig hart.

Seit ich die Achtsamkeitsübungen wieder durchziehe, seitdem kommt so einiges an die Oberfläche. Alles was ich weggelächelt habe, alles was ich mit Lachen und gute Laune versucht habe zu kaschieren, das überflutet mich jetzt.

Wer weiß, vielleicht ist es ja gut, dass ich mich dem nun stellen muss. Alles nur in sich hineinzufressen ist wahrlich nicht gesund. Es ist eben wie so ein Staudamm, irgendwann hat der eben keinen Platz mehr und dann sprudelt alles raus.
Was ich in der letzten Woche geweint habe, dass ist echt nicht wahr. Und immer so ohne Vorzeichen. Es kommt einfach so.

„Ist es nicht langsam mal gut?“

Der Satz ist so blöd. Wer bestimmt denn das Tempo, wie man trauert? Wer bitte nimmt sich denn heraus zu sagen, bis dahin darfst du trauern, und dann musst du bitte funktionieren. Dann hat alles gut zu sein. Von Anja und auch von meinem Hausarzt habe ich erfahren, dass medizinisch festgelegt wurde, dass nach 6 Wochen Trauer das ganze als Depression abgehakt wird, wenn man dann noch immer traurig ist.

Diese beiden Menschen sehen das allerdings anders. Beide sagen, dass es mindestens ein Jahr dauert.

Und ich kann da nur zustimmen. Du vermisst einen Menschen ja nicht nur sechs Wochen und dann ist alles wieder tutti. Du musst alles einmal erleben. Jeden Feiertag, Geburtstag, Jahreszeit. Wie fühlen sich diese Sachen an, ohne Mama. Wie verbringe wie diese Zeiten, was bleibt an Ritualen und familiärem Gefüge?

Ob ich nun eine Depression habe, dass kann ich nicht sagen.

Ich freue mich noch über Sachen, aber ich bin trotzdem auch traurig und kann nicht alles so, wie ich das will.

Es gibt diese Hochs, in denen alles gut ist, aber auch, vielleicht öfter als sonst, Tiefs, die mich einfach erdrücken.

Ich würde so gerne reden… Alles mal rauslassen. Aber ich weiß nicht wie… und schon gar nicht was.

„Ist es nicht langsam mal genug?“

Auf die Frage jedoch habe ich eine Antwort!

Nein, es wird nie genug sein können, denn meine Mama wird immer eine wichtige Rolle in meinem Leben spielen. Ich vermisse sie und irgendwie ist ein sehr wichtiger Pfeiler in meinem Leben weggebrochen.

Und dieser Verlust geht nicht weg. Aber es wird immer ein wenig besser…
Aber es wird nie genug sein, denn dieser Verlust wird mich begleiten.

Ich wünsche mir Menschen, die mich begleiten, und bei denen ich auch schwach sein kann….
Nein, ich kann wahrscheinlich bei allen meinen Freunden schwach sein. Aber ich trau mich nicht….

„Du musst da nicht alleine durch!“

Ich weiß… aber, wie soll ich den sagen, mir geht es nicht gut, wenn ich Angst davor habe, schwach zu sein und das was da in mir ist in Gefühle und Worte zu packen?

„Ist es nicht langsam mal gut?“

Wie kann es gut sein, wenn ich nicht weiß, wie es wieder gut werden soll? Ich brauche meine Zeit… und es dauert so lange, wie es eben dauert, auch wenn es Menschen gibt, die es nicht verstehen.

2 Kommentare

  • Die Leserin

    Liebe Kari,
    ich verfolge deinen Blog noch nicht lange und dennoch habe ich alle Beiträge gelesen. Zunächst wünsche ich dir alles „Gute“ auf dem Weg der Trauer. Dieser Weg ist lang und schwer.

    Tja wie lange kann so eine Trauer dauern? Man sagt zwischen 1-3 Jahren ist eine normale Trauerphase. Aus meiner Familie arbeitet Jemand in einer Trauer-hilfsgruppe. Manchmal kommt man nie drüber hinweg, doch du bist auf dem besten Weg.

    Wichtig ist nicht, dass die Trauer oder der Schmerz weggeht sondern, dass er ein gesunder Teil deines Lebens wird. Du sollst deine Mom nicht vergessen du sollst sie in deinem Leben bewahren bis man sich wiedersieht. Irgendwo, irgendwie….
    Doch wie bekommt man die Gefühle unter Kontrolle? Das ist der schwerste Pfad und die Antwort muss jeder Mensch für sich selber finden. Kein Freund, kein Außenstehender wird es verstehen, denn jeder fühlt anders. Oft platzt es aus einem raus und man fühlt als würde man ersticken, doch dieser Schmerz zeigt nur wie sehr du sie liebst. Und Liebe ist etwas schönes!

    Auch ich habe jemanden verloren und dachte das wird nie vorbeigehen. Doch eines morgens bin ich aufgewacht und entschied, dass heute der Tag ist an dem die Trauer einen Platz bekommt. Was mir geholfen hat war ein simples Buch. Jeden Abend oder Mittag habe ich eine Seite dieses Buches mit einem Foto und einer gemeinsamen Erinnerung gefüllt. Gemalt, gebastelt, ich habe aufgeschrieben was an dem Tag passiert ist und dabei furchtbar geweint. Mit jedem Tag wurde mein Schmerz leichter, denn ich wusste, am Abend werde ich weiter an dem Buch basteln und ihm Platz lassen langsam auszubrechen.

    Das ging ungefähr 2 Monate so und diese Attacken hörten auf. Ich konnte wieder atmen, leben. Man ändert sich nicht, man bekommt nur eine weitere Eigenschaft dazu.

    Viele Menschen verstehen das alles nicht. Freunde verstehen das nicht, doch auch wenn das einen wütend und noch trauriger macht, muss man sehen, dass sie eigene Gefühle haben und anders mit ihnen umgehen.
    Was ich sagen will ist, dass du dir die Zeit nehmen solltest und daran denken solltest, dass deine Mom immer bei dir sein wird. In deinen Erinnerungen, in deinen Gedanken und sie ist ein Teil von dir, für immer und somit wird sie dich nie wirklich verlassen.

  • Kari

    Liebe Leserin,

    ich danke dir so sehr für deine lieben Worte. Was dir dein Buch ist, ist für mich irgendwie dieser Blog.

    Du hast recht, die Trauer wird nicht weggehen, aber ich kann mit ihr umgehen. Sie wird irgendwie selbstverständlich. Jeden Tag ein wenig mehr. Und sie fühlt sich nich mehr nur schwer an. Denn mittlerweile kann ich auch Lachen und Lächeln, wenn ich an sie denke.

    Klar kommen immer wieder Tränen, aber wie du so schön sagst, es ist ein Zeichen von Liebe.
    Ich habe wirklich weitere Eigenschaften an mir entdeckt, seit meine Mama gegangen ist, und sie machen mich zu dem Menschen, der ich nun bin.

    Ich mag meine Nachdenklichkeit, denn sie bringt mich dazu, kreativ zu sein, auf einem neuen Level entstehen Fotografien, Texte und Zeichnungen.

    Vielen Dank, liebe Leserin, das du eine Wegbegleiterin bist, das tut wirklich gut zu wissen.

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