Das kleine Monster,  Gedankenfetzen

Guten Tag, du bist also Toni?

Neue Blickwinkel ändern ja bekanntlich viel. Und wenn sie irgendwie absurd klingen, bin ich dafür ja sofort Feuer und Flamme.

Die geheimnisvolle Unbekannte, die wie ein Wirbelwind in mein Leben getreten ist, schenkt mir scheinbar leicht diese neuen Blickwinkel und Herangehensweisen, motiviert mich und fördert meine Achtsamkeit.
Tja, das mit der Achtsamkeit war nur gestern Essig. Da steht da nämlich am Beckenrand so eine motivierte Physiotherapeutin und ich, noch voll angefixt von dem Telefonat am Mittag, voller Elan die Übungen mitgemacht. Schade nur, dass ich gar keine Chance hatte, achtsam mit mir und meiner Grenze zu sein. Die Grenze schoss einfach scharf, als ich eine Drehung in der Hüfte gemacht habe.
Und so liege ich wie ein Schluck Wasser in der Kurve auf dem Sofa, eine Wärmflasche im Rücken und habe mir den Laptop geschnappt. Die Schmerztablette macht mich so ein wenig duselig im Kopf, so dass ich glaube, dass dieses Vorhaben klappen könnte.
Ich versuche diesen Tipp jetzt mal. Mit Toni zu kommunizieren. Was will Toni, wofür ist Toni gut, kann er vielleicht anders seine Qualitäten bei mir ausleben?

Ich werde es also wieder machen wie immer. Einfach tippen und schauen was kommt. Ohne das ich nachdenke. Ob Toni das gut findet? Weiß ich nicht.
Er ist auf jeden Fall schon seit ein paar Tagen stetig merklich da. Sehr unterschwellig, immer so in der Bauchgegend, mal in der Brust und macht mir ein wenig Luftnot, aber immer aushaltbar.
Toni, es tut mir wirklich leid, dass ich ständig über dich schimpfe, dich zum Teufel wünsche und dich einfach ätzend finde. Vielleicht ist es viel sinnvoller, wenn wir uns gegenseitig verstehen und unterstützen?

Ich meine, irgendwas möchtest du ja gerne von mir. Ich bin mir nur nicht sicher, was es ist. Du fühlst dich wohl bei mir, sonst wärst du nicht schon so lange bei mir. Ich finde es auch irgendwie bemerkenswert, dass du trotz all meiner Mühen so richtig hartnäckig an mir dran bleibst. Deswegen finde ich es wichtig, dass wir uns näher kennenlernen. Also, guten Tag Toni, ich bin Claudia und ich freue mich sehr, deine Bekanntschaft zu machen.
Ich weiß, dass Angst etwas ganz natürliches ist. Es werden allehand Hormone freigesetzt, um den Körper, wenn es drauf ankommt, in die höchste Leistungsbereitschaft zu versetzen. Der Atem geht schneller, der Herzschlag beschleunigt sich. Das Gehirn wird mehr durchblutet.
Früher war das zum Beispiel wichtig, als die Menschheit noch vor dem Säbelzahntiger davonlaufen musste. Und heute finde ich das auch noch sehr gut, denn wer weiß, was im dunklen Zimmer unterm Bett so lauert, oder gar im Keller.

Also, ich kann nachvollziehen, lieber Toni, wenn du versuchst, mich vor solchen Situationen zu beschützen. Das sollst du auch tun. Dafür bist du nämlich super geeignet, das bescheinige ich dir aus vollem Herzen.
Aber warum beim Einkaufen, warum, wenn ich bei meinem Papa bin, warum, wenn ich an meine Mama denke, wenn ich auf den Friedhof gehe, wenn ich ins Kino gehe, wenn ich mich mit Freunden treffe, warum im Chor, warum beim Gesangsunterricht, warum im Bewegungsbad.
Da gibt es doch gar nichts gefährliches. Ich versichere es dir. Und ich achte auch ganz wirklich auf mich.
Du sollst mich beschützen und es tut mir leid, dass ich dich zur Adoption freigeben wollte. Aber, es strengt mich an, wenn du so überfürsorglich bist, weil du dir solche Sorgen machst. Denn nichts anderes ist es ja. Du hast Angst um mich und das ehrt dich sehr.

Vielleicht könntest du deine Energie einfach auf was anderes lenken. Helf mir doch vielleicht, diesen ganzen Sack mit den vielen Tränen mal rauszulassen. In mir aufräumen. Benutze diese Energie, mit der du mir diese ganzen unangenehmen Dinge machst doch einfach für einen Großputz meiner Seele. Da hättest du wirklich genug mit zu tun. Du machst mir nämlich mehr Stress, als das es gut tut. Und eigentlich will ich das doch loswerden.
Diese Gefühle, Toni, vor denen du mich bewahren willst, die blockierst du, in dem du auftauchst. Du willst mich davor bewahren zu weinen und in ein Loch zu fallen. Aber genau da muss ich durch. Also, schnürr mir nicht die Kehle zu, mach sie besser auf und lass die Gefühle einfach mal zu. Dabei kannst du wirklich nützlich sein. Schupps mich in dieses Loch. Rauskommen tu ich sicher alleine. Das macht mir zwar Angst, aber wenn du bei mir bist, lieber fürsorglicher Toni, dann bin ich nicht allein und ich schaffe das…

Guten Tag Toni, möchtest du wohl diese Aufgabe in mir übernehmen? Es würde mich sehr freuen, von dir zu hören.