360° Blickwinkel,  Menschen,  Waffelmoment

Inovation oder Dummheit, wenn eine Idee ganze Welten verändert

Innovationen haben in der Menschheitsgeschichte einen besonderen Platz. Ohne besonders kreative Menschen gäbe es kein Rad, keinen Fernseher und keine Kartoffelchips.

Aber auch Gegner gibt es zuhauf. Galileo Galilei wurde der Ketzerei bezichtigt, die Welt galt jahrhundertelang als eine Scheibe, und Menschen würden nie fliegen können. Hätten diese Menschen beharrlicher agiert, wären viele Entwicklungen wahrscheinlich noch immer nicht geschehen, und wir würden noch im tiefsten Mittelalter leben. Andererseits….wie weit wären wir entwickelt, wenn die Epoche der Aufklärung schon früher geschehen wäre?

Nun, auch heute gibt es noch Gegner von Innovationen. Auch in der Anime-Szene. Besonders in der Anime-Szene.

Ich bin seit 1996 Fan von Anime-Serien, und seit 2002 regelmäßiger Besucher von Anime-Conventions, quasi Fachmessen für Fans von japanischer Jugendkultur. Am Anfang war alles so schnucklig, klein. Da konnte man auf einer Convention noch die Wände und den Boden erkennen, man stand sich nicht auf den Füßen rum.

Auf solchen Conventions gibt es neben Produktpräsentationen auch noch Showprogramm. Jugendliche schließen sich zu kleinen Gruppen zusammen, üben Musicalstücke ein, singen, schreiben Texte, um damit andere Fans zu erfreuen. Geschätzt 60 bis 70 dieser „Musicalgruppen“ gibt es in Deutschland, Einzelkünstler sind da noch nicht mit eingerechnet.

Im Laufe der letzten Jahre haben sich einige dieser Gruppen zu regelrechten „Stars“ gemausert. Ohne sie geht nichts mehr (glauben sie).

Jeder Organisator derartiger Conventions steht jedes Jahr vor einer neuen Herausforderung, nämlich aus den Bewerbungen der Gruppen geeignete Teilnehmer herauszupicken. Jetzt hat der gemeine (im Sinne von Feld-Wald-und-Wiesen-) Con-Orga (so die szeneinterne Bezeichnung für die Veranstaltungschefs) zwei Möglichkeiten: Er wählt bekannte Gruppen mit einer großen Fanbase, um möglichst viele Besucher auf seine Veranstaltung zu locken, was natürlich mehr Umsatz bedeutet (denn die Besucher kaufen ja Eintrittskarten). Oder aber, er lässt sich auch auf neue, unbekannte Gruppen ein und gibt ihnen eine Chance, zu wachsen, Erfahrungen zu sammeln…

Anfangs gingen viele Con-Orgas den letzteren Weg, um den Besuchern Abwechslung zu bieten. Für jeden war was dabei. Musicalgruppen folgten Einzelsängern und Comedians.

Heute sieht die Welt leider ganz anders aus. Auf den Programmen der größten Anime-Conventions im Land tauchen immer wieder die gleichen Namen auf. Die alten Bekannten, sozusagen.

Das musste auch mein Mann feststellen, als er sich (da er selber Sänger ist) auf mehreren Conventions bewarb. Sein Konzept war ungewöhnlich, keine Frage. Aber meistens weiß er, was er tut. Ja, auch ihm rutscht der eine oder andere Ton daneben (und je mehr er versucht, es richtig zu machen, desto falscher wird es), aber es geht ja um das Gesamtkonzept, und wenn man ihn einfach machen lässt, wird es meistens ganz passabel.

Die Antworten auf diese Bewerbungen waren ernüchternd. Es hieß „Nein, kein Interesse, wir haben ja unser Programm“. Einmal kam sogar ein „Das nennst du singen? Also wir hatten auch schon Leute, die singen können. Sorry, nein, ein ganz großes Nein.“

Ich musste schon schlucken. „Wir hatten auch (!) schon Leute, die singen können.“ Was soll mir dieser Satz sagen? Dass die meisten es nicht können? Sehr viele dieser sogenannten „Stars“, die sich zumeist auf Youtube tummeln, können es meiner Meinung nach nämlich nicht, und haben trotzdem Fans (aber Geschmack ist ja immer etwas subjektives). Und wer darf auftreten? Genau diese Youtuber. Weil sie Fans haben, und die Massen auf die Cons locken, wovon die Orgas profitieren.

Sicher, nicht jeder Orga tickt so. Ich kenne ein paar, die anders sind. Die auch Newcomern eine Chance geben. Aber es werden immer weniger. Weil (und das ist kein Scherz, keine Satire) die Fans es nicht wollen. Die wollen nämlich keine Newcomer, die noch keine Fans haben.

Der letzte große Experimentierer verlässt in diesem Jahr die Szene, und es wird meiner Ansicht nach ein einschneidender Schritt. Denn eines ist doch sicher: Jeder hat mal klein angefangen.

Die Frage ist nur: „Wo“ fangen die Showacts in Zukunft klein an?

An dieser Stelle gilt mein Dank diesem Pionier, der auch einem kleinen „Chaoten-Radiosender“ eine Chance gegeben hat und nicht enttäuscht wurde. Wir sind gewachsen. Mit dem Innovaten!

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