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Als hätte ich mich ein wenig selbst verloren

Wenn man Chaos im Kopf hat, und irgendwie nichts wiederfindet, nicht mal sich selbst, dann muss man wohl mal endlich durchmisten, ausmisten und endlich auch mal wegschmeißen. Meine Mitmenschen sagen loslassen dazu.
Aber um etwas loszulassen, muss man sich auch erstmal sehr bewusst darüber sein, das man etwas festhält.
Deswegen hat das bisher nicht geklappt, das mit dem Loslassen. Weil ich nicht wusste, dass ich etwas festhalte. Wie sollte ich das auch wissen? Ich dachte, die ganzen Sachen hätte ich gut weggesteckt. Die Wünsche und Träume, die ich hatte. Meinen Beruf, der nun Geschichte ist, dieses Familienkonstrukt, was sich unwiederbringlich geändert hat. Es gibt Rollen, die ich im Leben intus hatte, die ich nun nicht mehr habe, über die ich mich definieren konnte. Und Rollen, die ich gerne angenommen hätte, die nun in sehr entfernter Weite liegen.

Ich habe nicht geahnt, dass das alles mit zu meinem jetzigen Chaos beiträgt. Ich wusste, dass  sich das schlimm anfühlt. Aber ich wusste auch, daran kann ich jetzt eh nichts ändern, denn ich habe alles getan, damit es vielleicht doch weiter geht und so habe ich rational mit dem Thema abgeschlossen. Es musste ja weiter gehen.

Aber ich habe nie wirklich Abschied von allem genommen. So emotional. Ich war sehr offiziel keine Arzthelferin mehr, ich war keine Tochte mehr, ich werde vielleicht nie eine Mama. Haus, Kinder, Hund…. Arzthelferin, eine Oma, die mich besucht.
Das habe ich mir alles vorgestellt. Als ich geheiratet habe. Das war der Lebensplan. Und innerhalb von einem Jahr habe ich das alles begraben müssen. Habe es als Tatsache hingenommen und es eingeschlossen. So ganz tief in mir.

Gestern, in der Therapie, da sagte der Franke zu mir, dass das erstmal eine gute Strategie ist. Und bei nur einem Verlust wäre das auch bestimmt gutgegangen. Aber bei der Summe dieser ganzen Dinge, da kann die Psycho schon rebellieren. Er hat recht. Sonst bin ich mit dieser Strategie immer sehr gut gefahren. Aber da war es nicht so geballt. So viel Tod und Abschied auf Mal. Es kamen ja noch mehr Dinge hinzu, die mich immer wieder mit dem Thema konfrotierten. Dieses dumme Erbverfahren, was ich nie haben wollte. Der Tod eines entferten Famlilienmitglieds. Dann noch unser Paul, Papas Hund, den wir einschläfern lassen mussten. Papas Gesundheit, die wahrscheinlich immer mehr abnehmen wird.

Und dann bin ich dazwischen. Die versuchen muss, sich nach dem großen Batzen der vielen Ende, neu zu definieren, einen neue Position im Leben zu finden. Rollen, die mich wieder ausfüllen. Da reicht Chorsängerin, Autorin, Tante, Bloggerin und Leseratte eben nicht. Diese Dinge bin ich zwar noch, aber  das, was ich gedacht habe, was geschehen soll, dass musste ich alles begraben. Buchstäblich in mir drin.
Natürlich ist das alles auch etwas, was ich bin, aber es waren nie die größten Bausteine von mir. Nebensächliche Rollen, die mir halt guttaten, aber die man in einem Gespräch dann wohl eher belächelm wird.

Aber ich weiß, dass ich da jetzt durch muss. Und keiner hat je gesagt, dass das einfach wird. Aber ich bin einen Schritt weiter. Mich zu verstehen und auszumisten. Damit ich mich wiederfinde und mich auch neu erfinden kann. Mir wurde gesagt, darauf könne ich stolz sein. Und das bin ich auch, irgendwie. Noch eine Rolle. Psychisch auffällig, aber mit positiven Nebewirkungen.

Es tut weh, es gibt Tränen und vielleicht fühle ich mich danach auch erstmal leer. Aber ich weiß auch, dass das wieder gefüllt werden kann, diese Leere.
Mit dem kommenden Studium vielleicht, mit der Chance auf ein Pflegekind und mit neuen Wegen, die sich erst eröffnen, wenn ich wieder Platz in mir habe.
Weil ich Altes einfach loslasse. Na ja, nicht einfach, denn meine Finger sind verkrampft. Es wird also anstrengend, dieser Weg, aber er lohnt sich. In jedem Fall. Und solange geben mir meine kleinen Bausteine den Halt, mich nicht ganz selbst zu verlieren.